Rat der Stadt Bonn beschließt Positionspapier der Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler zur Bonn/Berlin-Diskussion

Peter Kox

Der Rat der Stadt Bonn hat am 22. September ein Positionspapier der Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler zur Bonn/Berlin-Diskussion beschlossen.

Darin haben Verwaltungsspitzen der Bundesstadt Bonn, des Rhein-Sieg-Kreises und des Kreises Ahrweiler sowie die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, des Bundestages und der Landtage Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz aus der Region ein Bündel von "Kernforderungen" aufgestellt.

Zur Debatte vor dem Beschluss hat unser stellv. Fraktionsvorsitzender Peter Kox folgende Rede beigetragen:

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin außerordentlich froh, dass wir die heutige Ratssitzung mit einem Thema beginnen, über das in diesem Rat größte Einigkeit besteht: Die Stärkung der Position Bonns als Bundesstadt und ‚Kompetenzzentrum für Deutschland‘, wie ein im Titel des Positionspapiers heißt, das wir gleich beschließen werden.

Zur Entwicklung des Papiers haben sich Verwaltungen und Politik aus der Region – auf allen Ebenen: Kommunen, Land, Bund, Europa – in der Vergangenheit mehrmals getroffen, um sich zu rüsten für die bald erwartete Bestandsaufnahme der Bundesregierung zur Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin.

Das war und ist sicherlich klug, denn die Berliner Angriffe auf das Bonn-Berlin-Gesetz werden immer dreister und weiterreichend – siehe z.B. das Bundesinnenministerium oder das Verteidigungsministerium.

Klug ist aber insbesondere, dass sich die Arbeitsgruppe, die das Papier entwickelt hat, nicht darauf beschränkt hat, was lange – hoffentlich nicht zu lange – praktischer alleinige Position vieler ‚Verteidiger‘ Bonns war: Das Gesetz ist das Gesetz ist das Gesetz! – Dafür hätte es auch keine Arbeitsgruppe gebraucht.

Statt dessen haben die Bundesstadt Bonn, der Rhein-Sieg-Kreis und der Kreis Ahrweiler sowie die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, des Bundestages und der Landtage Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz aus der Region ein Bündel von ‚Kernforderungen‘ aufgestellt:

1. Das Berlin/Bonn-Gesetz gilt und darf nicht weiter ausgehöhlt werden. Es müssen verbindliche Vorkehrungen getroffen werden, damit der bisherige Rutschbahneffekt gestoppt wird. Bonn bleibt dauerhaft das zweite bundespolitische Zentrum und wird mit allen Ministerien in Bonn als solches weiterentwickelt.

2. Die in der Arbeitsteilung mit Berlin durch Bonn übernommene wichtige Funktion als Kompetenzzentrum für die Bereiche – Bildung, Wissenschaft und Forschung – internationale Zusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung, Umwelt, Gesundheit, Landwirtschaft und Ernährung Telekom Kultur, Kommunikation, Cyber-Sicherheit und Datendienste muss im nationalen und internationalen Interesse weiter ausgebaut werden. Dafür ist es unabdingbar, dass die politisch, fachlich und thematisch korrespondierenden Bundesministerien ihren ersten Dienstsitz in Bonn behalten. Das sind alle Ministerien, die auch jetzt schon ihren ersten Dienstsitz in Bonn haben.

3. Bundespräsident und Bundeskanzler behalten ihren Dienstsitz in Bonn.

4. Bonn wird als deutsche UNO-Stadt weiter ausgebaut. Dazu gehört die weitere Ansiedlung von Institutionen der Vereinten Nationen, die Verbesserung der Bedingungen für internationale Organisationen – insbesondere auch durch ein Gaststaatgesetz – und die verstärkte Anwerbung internationaler Tagungen und Kongresse in der UNO-Stadt Bonn.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

auf der Grundlage des Bonn-Berlin-Gesetzes hat sich eine effektive Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin entwickelt. Unsere Stadt hat sich zu einem hervorragenden Dienstleister zur Vorbereitung vieler Entscheidungen für Deutschland bewährt. Eine Arbeitsteilung, die mit jährlich ca. 8 Millionen Euro deutlich günstiger ausfällt, als es ein Komplettumzug sein könnte.

Bonn ist heute Standort von 18 Organisationen der Vereinten Nationen. Am 3. März 2016 wurde das Wissenszentrum für nachhaltige Entwicklung der Fortbildungsakademie des Systems der Vereinten Nationen eingeweiht. Am 24. Mai 2016 wurde eine Vereinbarung zur Ansiedlung des UN-Kampagnenbüros für die Ziele nachhaltiger Entwicklung in Bonn unterzeichnet, das hier im Laufe des Jahres seine Arbeit aufnehmen soll.

In der Region Bonn besteht derzeit ein deutschlandweit einzigartiges Kompetenzzentrum mit Spitzenverbände von bundesweiten Bildungseinrichtungen, Entwicklungsorganisationen, NGOs und ca. 70 Organisationen, Behörden, Institutionen, die dem Bund zugeordnet sind.

Die Universität Bonn, die expandierenden FHs in der Region, ceasar, der Sitz weiterer renommierten Forschungseinrichtungen, und führenden deutschen Wissenschaftseinrichtungen wie DFG, Humboldt-Stiftung, DAAD, in Kombination mit dem BMBF als Zuwendungsgeber sind wichtiger Teil des Clusters Forschung und Wissenschaftsregion.

Rund um die UN-Sekretariate, existiert zudem ein Cluster für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Entwicklung, Frieden, Konfliktforschung welches Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft für diese Zukunftsthemen vereint.

Kurzum: Bonn hat schon Profil – und zwar eine Menge. Die Aushöhlung des Bonn-Berlin-Gesetzes aber gefährdet es. Über die berüchtigte ‚Rutschbahn‘ gelangen immer wieder Stellen und Abteilungen nach Berlin. Und viele andere Institutionen bangen um ihre Zukunft in Bonn. Diese Unsicherheit muss ein Ende haben.

Bonn und die Region brauchen weiterhin die aktiven Bemühungen zur Ansiedlung neuer UN-Institutionen und anderer internationaler Akteure. Gerade im Wettbewerb mit Wien und Genf fordern wir daher von der Bundesregierung ein, dass sie ein Gaststaatgesetz auf den Weg bringt. Das erleichtert den Zuzug und schafft Rechtssicherheit.

Zurzeit erarbeitet ein Arbeitskreis der Bundesbeauftragten für den Bonn-Ausgleich Zukunftsperspektiven für die Arbeitsteilung zwischen den beiden bundespolitischen Zentren Deutschlands. Die Bundesregierung muss endlich den schleichenden Umzug der Ministerien stoppen.

Doch mit dem Erhalt des status quo alleine ist es eben nicht getan.

Es ist erforderlich dauerhafte Perspektiven in Bonn zu schaffen und sicherzustellen, dass ein Verbleib in Bonn nicht Frage gestellt ist. Das alles muss schnell passieren. Dazu braucht es eine konstruktive Debatte mit allen Beteiligten.

Das einstimmig in der Region verfasste Positionspapier leiste dazu einen wichtigen Diskussionsbeitrag – zumal Bonn und die Region darin mit einer Stimme sprechen, und sich für den Erhalt und die Weiterentwicklung des Kompetenzzentrum Bonn/Rhein-Sieg/Rheinland-Pfalz aussprechen. Im Sinne der Fortführung der erfolgreichen föderalen Tradition in der Bundesrepublik nützt diese weitere Entwicklung der Region ganz Deutschland.

Daher findet das Positionspapier zurecht immer mehr Unterstützer: Nächste Woche wird z.B. die Landschaftsversammlung des LVRs das Papier unterstützen. Letzte Woche hat dies schon der nordrhein-westfälische Landtag getan. Mit den Stimmen aller Fraktionen. Und das ist auch gut so!

Vom ehemaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau stammt die Mahnung im Hinblick :

‚Es darf kein Zweifel daran bestehen, dass dieser Beschluss in allen Punkten gilt. […] Nur mit diesen beiden Pfeilern [Berlin als Hauptstadt, Bonn als Sitz von Ministerien und der Mehrzahl der Bediensteten] ist der Beschluss tragfähig. Wer einen der beiden Pfeiler als Attrappe begreift, der bringt die gesamte Konstruktion zum Einsturz.’"