Herbert Spoelgen verabschiedet sich: Rückblick auf 41 Jahre in Bezirksvertretung und Rat

Als ich im September 1979 erstmals in die Bezirksvertretung Bonn (BV Bonn) gewählt wurde, war die Welt noch in Ordnung. Für die CDU. Sie hatte im Stadtbezirk die absolute Mehrheit der Stimmen und Sitze (10, SPD 7, FDP 2). Das nutzte sie weidlich aus. Neben dem ihr zustehenden Bezirksvorsteher reklamierte sie auch den Stellvertreter für sich statt ihn der SPD als größter Oppositionspartei anzubieten. Anträge der beiden

Herbert Spoelgen

Oppositionsparteien wurden grundsätzlich abgelehnt und häufig dann in der nächsten Sitzung als CDU-Antrag beschlossen. Es dauerte fast drei Jahre, bis ich für einen Prüfantrag erstmals die Zustimmung der Mehrheitsfraktion erhielt.

Das hat sich bis heute grundlegend geändert. In der BV Bonn sitzen inzwischen 8 Fraktionen und Einzelkämpfer. Die Anzahl der Sitze für die CDU hat sich halbiert. SPD, CDU und Grüne sind mit etwa gleicher Fraktionsstärke in der BV vertreten. Dies ist für uns ein schöner Erfolg, auf den wir stolz sein können. Es sind jetzt auch unterschiedliche Mehrheiten möglich, da wir seit 2014 keine Koalition mehr haben, sodass wir uns in jedem Einzelfall zu einer Entscheidung durchringen müssen.
Ein Highlight für mich war natürlich die Kommunalwahl 1994. Sie erbrachte rot-grüne Mehrheiten unter anderem im Rat und der BV Bonn. Bärbel Dieckmann wurde erste SPD-Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn und ich erster SPD-Bezirksvorsteher (gefolgt von Konrad Löhlein in Beuel einen Tag später).

Seit 1994 haben wir als Sozialdemokraten in der BV Bonn in 21 von 26 Jahren „mitregiert“ und dabei über 18 Jahre den Bezirksvorsteher und später den Bezirksbürgermeister gestellt; davon allein 14 Jahre durch Helmut Kollig. Seine Wiederwahl 2009 trotz CDU/Grünen-Mehrheit im Rat und der BV Bonn war für mich ein weiterer Höhepunkt, der erst durch geschickte Verhandlungen erreicht werden konnte.

Seit 2014 bin ich nun auch noch Ratsmitglied. Während die Arbeit in der BV Bonn und   deren Mitglieder sehr angenehm war und ist, kann ich das von der Ratsarbeit nur eingeschränkt sagen. Mehr als 2.500 Seiten Sitzungsunterlagen oder Sitzungen bis 2 Uhr nachts sind für einen Freiberufler wie mich zu viel. Auch fehlt es im Rat an der konstruktiven Zusammenarbeit, die wir in der BV Bonn haben. Die Beiträge des BBB-Fraktionsvorsitzenden sind zudem größtenteils unerträglich. Auch die zunehmend aggressive Haltung von Teilen der Bürgerschaft gegenüber den ParlamentarierInnen erleichtert die Arbeit nicht.

Deshalb verabschiede ich mich aus der Ratsarbeit mit einem lachenden und weinenden Auge. Ich bin froh, dass es vorbei ist. Die 41 Jahre in der BV Bonn möchte ich nicht missen.

Danken möchte ich zum Abschluss den KollegInnen unserer Fraktionen im Rat und der BV Bonn sowie den MitarbeiterInnen der Geschäftsstelle. Die Zusammenarbeit war prima. Die Einschätzung aus vergangenen Jahrzehnten „Der unberechenbare Spoelgen“ mag ja durchaus richtig gewesen zu sein, hat aber der Ratsarbeit nicht geschadet. Dass unabgesprochene Anträge von mir nach einer dritten Gesamtschule und einer zusätzlichen Brücke für Radfahrer und Fußgänger über den Rhein keine Mehrheit in der Fraktion fanden, ist heute zum Glück Geschichte.