Beethovenhalle

Folgende Rede hielt Angelika Esch, Vorsitzende der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Bonn, in der Sondersitzung des Rates zur Beethovenhalle am 18. März 2019.

Bild: Bundesstadt Bonn

– Es gilt das gesprochene Wort! –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!

 

Immer wenn ich sage: „Schlimmer kann es ja nicht werden“, dann wird es doch schlimmer!

Jetzt also das zu schwache Dach, oder die zu schwere Lüftungsanlage für das zu schwache Dach…

Teurer als geplant, weniger Nutzer als gedacht, später fertig als gehofft.

 

Die Sanierung der Beethovenhalle ist ein Projekt von Pleiten, Pech und Pannen, das die Verwaltung zu verantworten hat. Wollen Sie wirklich weiter tatenlos zusehen, wie Projektplaner und Projektsteuerer fast täglich neue Hiobsbotschaften verkünden?

 

Die SPD-Fraktion hat diese Ratssitzung zur Beethovenhalle beantragt, weil der Rat und die Bonnerinnen und Bonner endlich umfassend über das offensichtlich herrschende Chaos auf der Baustelle informiert werden müssen:

  • Was läuft bei der Sanierung der Beethovenhalle noch alles schief?
  • Wer hat die am Bau Beteiligten eigentlich von städtischer Seite kontrolliert?
  • Wer trägt die Verantwortung für das offensichtliche Chaos?

Und wir müssen endlich darüber reden, wie es weitergehen soll. Es kann nicht sein, dass wir mal eben kurz vor Karneval über die Presse das Neueste über das Chaos auf der Baustelle erfahren.

 

Zur Erinnerung:

Die Sanierung der Beethovenhalle sollte ursprünglich schon Ende 2018 abgeschlossen sein und rund 60 Millionen Euro kosten.

Seit Monaten, seit Jahren gibt es immer wieder neue Probleme und neue Kostensteigerungen. Zum größten Teil in Verbindung mit dem Erweiterungsbau oder der Tieferlegung des Studios. Aber, das alles kam ja überraschend.

 

Dazu zwei Zitate:

„Bauschutt, Betonreste und altes Mauerwerk entdeckten Bauarbeiter dort, wo sie eigentlich ein festes Fundament vermuteten – unter der Beethovenhalle, die gerade gründlich saniert und um einen Neubau erweitert wird…“

Zitat Ende.

Ein zweites Zitat:

„Was die Bauarbeiter im Zuge der Erweiterung der Bonner Beethovenhalle zutage förderten, kam für die Planer zwar nicht ganz unerwartet, war in seinen Ausmaßen aber doch überraschend. Das Fundament des Altbaus ruht nämlich, wie sich bald zeigte, auf einem bis zu zehn Meter hohen Berg aus Bauschutt: dabei handelt es sich vermutlich um Trümmer der bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg an dieser Stelle stehenden Universitäts-Frauenklinik.“

Zitat Ende.

Diese beiden Zitate stammen aus Zeitungsberichten des Sommers 1996.  Das erste aus dem Bonner General-Anzeiger vom 15.6.1996, das zweite aus der Bonner Rundschau ebenfalls vom 15.6.1996.

Diese Artikel sind im Stadtarchiv der Bundesstadt Bonn zu finden. Das Suchwort bei der Recherche war übrigens „Beethovenhalle“.

Es gibt eine weitere Quelle. Eine nichtöffentliche Mitteilungsvorlage vom 13.06.1996, die das alles bestätigt. Diese Vorlage ist im Bonner Ratsinformationssystem zu finden. Das Suchwort lautet übrigens wieder „Beethovenhalle“.

 

Meine Damen und Herren von CDU, Grünen, FDP und Linken,

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Sie tun so, als habe niemand vor dem Beschluss zur Sanierung der Beethovenhalle im Jahr 2015 ahnen können, dass der Baugrund so ist, wie er ist. Das stimmt nicht. Man konnte, ja, man musste es nicht nur ahnen, man konnte und musste es wissen! Kein Planer geht davon aus, dass im Bereich des Studios gewachsener, tragfähiger Baugrund vorliegt, wenn wenige Meter daneben der Baugrund aus nicht tragfähigen Auffüllungen besteht. Wer hat da den Fehler begangen?

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

viele von Ihnen wissen, dass ich von Beruf Bauingenieurin bin. Wenn ein Bauherr mir diese Informationen gegeben hätte, würde ich mich zuerst einmal absichern. Ich würde erklären, dass ich bei diesen Informationen erst dann eine Kostenschätzung abgeben kann, wenn ich die Bodenverhältnisse genau kenne. Dies konnte zum Zeitpunkt der Ratsentscheidung aber nicht der Fall sein. Oder aber man geht bei seiner Kostenschätzung vom schlimmsten Fall aus und hat damit genug Puffer. Aber kein Planer, der alle Informationen, die ich eben zitiert habe, hat, sagt später „damit hatten wir nicht gerechnet“.

Herr Kollege Dr. Gilles: Ich gehe davon aus, dass Sie in Ihrem Planungsbüro ebenso gehandelt hätten.

Das haben die Planer allem Anschein nach aber alles nicht getan. Ich kann mir dafür nur einen Grund vorstellen: Den Planern fehlten die notwendigen Informationen. Das wäre aber Aufgabe der Verwaltung gewesen. Sie hat die Informationen, die sie hatte oder hätte haben können, anscheinend nicht weitergegeben.

Was für ein Verwaltungsversagen.

Auch den Mitgliedern des Stadtrates – also uns – hat die Verwaltung diese Informationen nicht zur Verfügung gestellt, bevor über die Varianten zur Sanierung abgestimmt wurde. Vielleicht wäre die Entscheidung dann anders ausgefallen. Das ist mehr als Verwaltungsversagen. Deshalb möchten wir, dass das Rechnungsprüfungsamt als unabhängige Instanz diese wichtigen Fragen klärt.

 

Wir erinnern uns:

Der Oberbürgermeister hat dem Rat 2015 für die Sanierung der Beethovenhalle die sogenannte „kleinen Variante“ empfohlen.

Vor allem auf Betreiben von CDU und Grünen, aber auch mit Stimmen von FDP und Linken hat der Stadtrat trotzdem für die „mittlere Variante“ gestimmt. Gegen die Stimmen der SPD. Eine Entscheidung, die heute für einen großen Teil der Mehrkosten verantwortlich ist.  Fragen Sie mal Ihre ehemaligen Kolleginnen und Kollegen über ihre Erfahrungen aus den 90er Jahren.

Die Mehrheit von 2015 hat das Desaster herbeigeführt, vor dem wir heute stehen.

 

Heute müssen Sie, Kolleginnen und Kollegen von CDU, Grünen, FDP und Linken, heute müssen Sie sich fragen lassen: Übernehmen Sie Verantwortung für Ihre Entscheidung, gegen die Empfehlung des Oberbürgermeisters, für die aufwendige Sanierung gestimmt zu haben? Bisher zeigen Sie keinerlei Einsicht. Im Gegenteil.

Als die Probleme bekannt wurden, als die Kosten immer weiter nach oben schnellten, hat die SPD-Fraktion vor fast genau einem Jahr hier im Rat einen Baustopp für die Beethovenhalle beantragt. Das haben Oberbürgermeister, CDU, Grüne, FDP und Linke, abgelehnt.

Was mussten wir uns hier im Rat anhören: „Das geht nicht!“ „Wir müssen jetzt weiter bauen!“

Sie haben den zweiten Fehler gemacht, weil sie den ersten Fehler nicht zugeben wollten.

Damals hätte es die Chance gegeben, die Sanierung zu stoppen und zu überlegen, wie man das ganze Projekt retten und verhindern kann, dass aus einem Desaster ein Riesen-Desaster wird.

Vielleicht hätten Planänderungen geholfen, eine Änderung von Standards – überhaupt: vielleicht hätte ein Baustopp dazu geführt, dass das Chaos auf der Baustelle aufgefallen wäre. Man hätte es aus unserer Sicht zumindest versuchen müssen.

Vielleicht hätte das Schlimmste verhindert werden können, wenn man gewartet hätte, bis endlich alle Planungen abgeschlossen waren. Der eigentliche Grund für die übereilte Entscheidung war ja bekanntlich das Beethovenjubiläum 2020. Dass das nicht funktionieren kann, war aber schon letztes Jahr klar.

Aber nein, der Oberbürgermeister und seine Koalition wollten weitermachen, als wäre nichts geschehen. Sie wollen sich offenbar den Titel „Master of Desaster“ zulegen.

 

Herr Oberbürgermeister,

wir akzeptieren kein Bauernopfer und keine Ausreden mehr.

Sie tragen die Verantwortung als Chef der Verwaltung.

Sie sind dafür verantwortlich, dass dem Rat bekannte Informationen nicht vorgelegt worden sind;

Sie sind dafür verantwortlich, dass trotz immer größer werdender Probleme und Kosten immer weiter vor sich hin gewerkelt wurde.

Sie sind dafür verantwortlich, dass Millionen um Millionen in eine alte Halle gesteckt werden und dass diese Millionen dort im löchrigen Boden versickern und versacken. Millionen und Abermillionen Steuergeld der Bonnerinnen und Bonner.

Das ist ein schlimmer Fall von umfassendem Verwaltungsversagen.

Heute stellt sich uns allen aber nicht nur die Frage, wer dieses   immer noch wachsende Desaster zu verantworten hat und wer tatsächlich Verantwortung übernimmt, sondern auch, wie es jetzt weitergehen soll.

 

Die SPD-Fraktion fordert die Ratsmehrheit und die Verwaltung eindringlich auf, endlich innezuhalten und ernsthaft zu prüfen, ob es nicht bessere Möglichkeiten gibt, als die einfache Fortführung der Sanierung. Bei den aktuell prognostizierten Kosten von 103 Millionen Euro wird es ja nicht bleiben. Das wissen alle hier im Raum. Deshalb verbietet sich aus Sicht der SPD ein „Weiter so“.

Ich halte es für unverantwortlich, diese Kostenexplosion zu Lasten der Bonnerinnen und Bonner weiter mitzutragen, ohne sich ernsthaft Gedanken über andere Möglichkeiten zu machen. Wer heute den Weiterbau befürwortet, ohne zu wissen, wie die tatsächliche Situation auf der Baustelle ist, ohne Abschätzung der Risiken und ohne belastbare Planungen, der begeht denselben fatalen Fehler zum dritten Mal. – Und landet dann vielleicht bei 140 Mio. €.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir fordern, dass jetzt ein Konzept entwickelt wird, wie man die Beethovenhalle möglichst kostengünstig fertigstellen kann. Wir brauchen jetzt endlich das, was eigentlich schon vor Baubeginn hätte passieren müssen, spätestens aber im letzten Jahr.

Bevor entschieden wird, wie es weitergehen soll, muss volle Transparenz über die notwendigen Maßnahmen hergestellt werden. Dazu gehören auch Vorschläge zur Reduzierung von Standards. Erst wenn wirklich eine zu 100% fertige Planung vorliegt, kann eine realistische Zeit- und Kostenprognose erstellt werden. Erst dann kann der Rat verantwortungsbewusst darüber entscheiden, wie die Beethovenhalle fertiggestellt werden soll.

Und es muss Schluss damit sein, dass der Rat und die Bonnerinnen und Bonner die wichtigen Informationen häppchenweise aus der Presse erfahren.

 

Wir müssen auch grundsätzliche Lehren für die Zukunft ziehen:

Es darf nie wieder vorkommen, dass mit einem Bau begonnen wird, bevor alle Planungsunterlagen vorliegen. Dafür ist ein fundamentales Umdenken erforderlich, bei allen: Verwaltungsspitze, Projektverantwortlichen und Rat.

Die Verwaltung muss ihren Prognosen in Zukunft realistische Annahmen zugrunde legen und dabei alle Informationen berücksichtigen, die ihr vorliegen. Wir sollten für die Zukunft verbindliche Standards festlegen, die vor einem Baubeginn zwingend eingehalten werden müssen.

Dazu kann auch die verbindliche Einführung eines Generalunternehmens für alle Großbauprojekte gehören.

Bei der Beethovenhalle sind ja offensichtlich viele Probleme auch durch die schlechte Zusammenarbeit der am Bau beteiligten Projektsteuerer und Planer entstanden. Das kennen wir von vorherigen Bauvorhaben leider zur Genüge. Diese Fehler und Mängel müssen im Endeffekt die Stadt und damit die Bürgerinnen und Bürger bezahlen.

Keine Stadt kann sich überteuerte Prestigeprojekte leisten. Für Bonn bei seiner Haushaltslage gilt das besonders.

Das Geld für das Millionengrab Beethovenhalle fehlt an anderer Stelle, wo es dringenden und drängenden Bedarf gibt.

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

nehmen Sie endlich Ihre Verantwortung als Chef der Verwaltung wahr. Machen Sie endlich die Sanierung der Beethovenhalle zur Chefsache!

Das gilt aber auch für Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU, Grünen und FDP. Ziehen Sie endlich Konsequenzen.

Darauf haben die Bonnerinnen und Bonner einen Anspruch.

 

Vielen Dank!