Preisträgerin 2013

Ursula-Maria Drosdziok

Ursula-Maria Drosdziok (85) ist seit vielen Jahrzehnten aufgrund einer Polioerkrankung auf den Rollstuhl angewiesen und engagiert sich persönlich, aber auch im Rahmen ihres ehrenamtlichen Engagements beinahe schon ebenso lang für die Belange von Menschen mit Behinderung.

Frau Drosdziok wurden ihr Engagement und ihr Einsatz für Teilhabe und gegen soziale Exklusion von Beginn an mit auf den Lebensweg gegeben. Aus Breslau floh die Familie vor Krieg und Besatzung zunächst nach Halle/Saale, wo Ursula Drosdziok 1949 heiratete und drei Kinder bekam. 1955 kam die Familie dank einer Besuchsgenehmigung nach Vechta. Ihr Ehemann ging nach Halle zurück, sie blieb und die Ehe wurde geschieden. Mit dem gesellschaftlichen Makel belegt, Flüchtling, geschieden und alleinerziehend zu sein, zog Frau Drosdziok nach Bonn, machte das Sonderbegabtenabitur und ging zur weiteren Ausbildung an die damalige Pädagogische Hochschule Bonn. Ihre Ausbildung zur Volksschullehrerin schloss sie 1958 ab.

Im gleichen Jahr erkrankte sie an Kinderlähmung, setzte sich gegen Behörden, die sie gerne direkt wieder aus dem Schuldienst entfernt hätten, durch und unterrichtete so noch bis 1987 in einem Kinderkrankenhaus. Generationen von Kindern gab sie durch ihren Umgang mit ihrer Behinderung Mut – zumal sie in den 70er-Jahren auf Anraten eines Arztes mit Leistungssport begann und Bogenschützin wurde.

In dieser Disziplin nahm sie an zahlreichen Wettkämpfen teil, u. a. an drei Weltmeisterschaften sowie den Paralympics in Seoul 1988, bei denen sie die Silbermedaille in der Mannschaftswertung errang. Als Leiterin der Bonner Gruppe der Fraternität für Menschen mit Behinderung in Deutschland und als Mitglied der Behindertengemeinschaft Bonn setzt sie sich seit ihrem (Un)Ruhestand für die Barrierefreiheit ein. Dabei ist es auch ihrem Engagement zu verdanken, dass sich in Bonn im Rahmen des kommunalen Teilhabeplan-Prozesses ein weiter Begriff von Barrierefreiheit durchgesetzt hat ; sowohl, was seinen Inhalt betrifft, der sich eben nicht nur auf den barrierefreien Straßenraum bezieht, als auch, was den Kreis der Betroffenen angeht. Denn im Prinzip sind alle – Radfahrer, junge Eltern mit Kinderwagen, Senioren etc. – Nutznießer von umfassend verstandener Barrierefreiheit.

Frau Drosziok hat es stets verstanden, erfolgreich Lobbyarbeit auch im politischen Raum zu betreiben und Augen zu öffnen für die Anliegen mobilitätsbehinderter Menschen. So hat sie z.B. eine  gemeinsame Quartiersrundfahrt mit Nichtbehinderten mit dem Rollstuhl im Herbst 2008 organisiert, bei dem die Nichtbehinderten selbst erfahren konnten, auf welche vielfältigen Barrieren mobilitätsbehinderte Menschen im öffentlichen Raum stoßen.

Zur erfolgreichen Arbeit von Frau Drosdziok und ihrer Fraternität-Gruppe und zum Einsatz für Teilhabechancen gehören auch ihr Engagement im Forum der Behindertengemeinschaft Bonn, die Teilnahme an Schulungsprojekten, die z.B. Stadtplaner und Verkehrsbetriebe im Abbau von Barrieren – im (öffentlichen) Raum, aber auch in den Köpfen – unterstützen, aber auch die Gründung und Leitung einer so genannten Kreativgruppe im Gustav-Heinemann-Haus in Tannenbusch. Dort werden kunsthandwerkliche Gegenstände gebastelt, die auf Weihnachtsbasaren zugunsten der Behindertenarbeit verkauft werden.

Die enge gesellschaftliche Anbindung an den Bonner Norden und an Viertel, das gewiss nicht frei ist von sozialen Problemen, pflegt Frau Drosdziok auch durch ihr Engagement in der katholischen Gemeinde; früher im Gemeindevorstand, mit der Leitung der Pfarrbücherei, der Vorbereitung der Gemeindekinder zur Erstkommunion etc.